Papageien und Sittiche
Handaufzuchten, Naturbruten oder Wildfänge?
von doris
Grundsätzlich ist bei den im Handel oder bei Züchtern erhältlichen Papageien
zwischen drei Aufzuchtmethoden beziehungsweise Herkunftsformen zu
unterscheiden: Handaufzuchten, Naturbruten und Wildfänge. Die Entscheidung,
welche Variante man auswählt, mag für Neulinge vielleicht eher nebensächlich
klingen, ist aber in der Praxis eine der wichtigsten Entscheidungen beim
Papageienkauf. Nehmen Sie sich daher am besten viel Zeit und lassen Sie sich
die verschiedenen Argumente oder Vor- und Nachteile durch den Kopf gehen.
Handaufzuchten
Handaufzuchten sind Vögel, die am ersten Lebenstag oder in den ersten
Lebenswochen vom Menschen aus dem Nistkasten geholt wurden und isoliert von
ihren Eltern aufwuchsen. Die Küken wurden mit Ersatzfutter per Spritze oder
Löffel von Hand großgezogen, meist mit der Absicht, zahme Stubenvögel für die
spätere "Wohnzimmerhaltung" zu erzielen. Es ist zwar richtig, dass es
gelegentlich vorkommen kann, dass die Handaufzucht die einzige
Rettungsmöglichkeit für die Jungvögel darstellt (zum Beispiel beim Tod eines
Elterntieres oder anderen Störungen im Brutablauf), bei den meisten
handaufgezogenen Papageien, die heute ge- und verkauft werden, ist dies aber
nicht der Fall. In der Regel liegt eine planmäßige Vorgehensweise bei der
Handaufzucht vor, die bereits vor dem Schlupf der Küken festgelegt wurde.
Grundsätzlich ist zwischen der isolierten Handaufzucht eines Nestlings und der
Handaufzucht einer Geschwister- oder Jungvogelgruppe zu unterscheiden. Wichtig
ist das insofern, als dass isolierte Handaufzuchten oft schwerwiegende
Beeinträchtigungen im Bezug auf ihr Sozialverhalten erleiden, die unter
Umständen den ganzen Lebenslauf der Tiere beeinflussen können. Eine
"Resozialisation" solcher Papageien, die während ihrer Jugendphase
keinen einzigen anderen Vogel zu Gesicht bekommen haben und häufig allein den
Menschen als Sozialpartner annehmen, ist meist schwierig und erfordert sehr
viel Geduld. Diese Art der Handaufzucht sollte daher ausschließlich dem Notfall
vorbehalten bleiben. Die zweite Form der Handaufzucht, also die Aufzucht einer
kleinen Gruppe von Nestlingen, ist eine wesentlich bessere Möglichkeit, aber
auch sie ist im Vergleich zur weiter unten aufgeführten Naturbrut mit Risiken
und Nachteilen auf Seiten der Papageien behaftet.
Ziel der Handaufzucht ist es, von vornherein menschenfixierte Papageien zu
"produzieren", die den Pfleger auch nach der Vergesellschaftung mit
einem Artgenossen in ihr Sozialleben mit einbeziehen. Der Käufer wünscht sich
in der Regel "streichelzahme Haustiere" für die
"Wohnzimmerhaltung", die ohne eine Beeinflussung des Verhaltens der
gepflegten Vögel in Richtung Zahmheit und "Umgänglichkeit" nicht
möglich wäre. Um diesen Zustand von scheinbar vollkommen an die
Wohnzimmerbedingungen angepassten Papageien zu erreichen, ist die Handaufzucht
eine für die entsprechenden Tierhalterkreise sehr "bequeme" und
erwünschte Lösung, da handaufgezogene Vögel bereits "vorgezähmt" zum
künftigen Besitzer kommen. (Groß-) Papageien sind dabei allerdings keinesfalls
als Haustiere, sondern durchweg als nicht-domestizierte Wildtiere zu
betrachten, deren Gefangenschaftshaltung sich in aller Regel an Maßstäben
orientieren sollte, die ihnen das Ausleben ihres artgemäßen Sozialverhaltens
ermöglichen. Die Handaufzucht kommt dem in keinster Weise entgegen, da hier
einerseits den Elterntieren die selbständige Aufzucht und Betreuung des eigenen
Nachwuchses verwährt bleibt, und andererseits den Jungvögeln der Kontakt zu den
Eltern und das Aufwachsen im Familienverband aus vergleichsweise trivialen
Gründen (Zahmheit gegenüber dem Menschen) nicht gestattet wird. Darüber hinaus
ist es sehr fragwürdig, ob die erwähnten Zielsetzungen der planmäßigen
Handaufzucht (sehr enge Tier-Mensch-Beziehung, Haltung von Großpapageien als
"gefiederte Familienmitglieder" in direkter Umgebung des Menschens)
generell kritiklos als erstrebenswert oder "tierfreundlich"
eingestuft werden können, da solche Haltungsformen, die vorrangig auf der
Zahmheit der Tiere aufgebaut sind und die Handaufzucht somit überhaupt erst als
"notwendig" erscheinen lassen, sehr häufig weitreichende
Einschränkungen für die gehaltenen Papageien bedeuten.
Die jungen Papageien werden bereits von Klein an auf ihre spätere
"Rolle" als gefiederte Hausgenossen und Ansprechpartner
"vorbereitet", in die sie ohne solche Maßnahmen in der Regel kaum
passen würden. Fest verpaarte Vögel aus Naturbrut, die nie zuvor einzeln
gehalten oder intensiven Zähmungsversuchen unterzogen wurden, zeigen in der Regel
keine Ambitionen, den Menschen als "Paar-" oder
"Schwarmmitglied" anzuerkennen und mit ihm in näheren (Körper-)
Kontakt zu treten. Sie kraulen sich normalerweise gegenseitig, anstatt den
Menschen dazu aufzufordern und verbringen viel Zeit mit ihrem Partner (oder bei
Gruppenhaltung mit dem Rest des Sozialverbandes), anstatt auf ihren
menschlichen Betreuer zu warten. Die Handaufzucht kann grob gesehen oft als der
Gipfel dessen betrachtet werden, was der Mensch versucht, um die gehaltenen
Papageien seinen Wünschen und Vorstellungen anzupassen. Anstatt zu akzeptieren,
dass Großpapageien durch ihr komplexes Wesen und ihren nicht zu
unterschätzenden Platzbedarf für "Wohnzimmerhaltungen" in der Regel
gänzlich ungeeignet sind und eher in eigenen Räumlichkeiten in Paaren oder
Kleingruppen gepflegt werden sollten, werden Küken aus den Nestern genommen und
per Hand großgezogen, um sie dennoch als scheinbar "problemlose" und
"drollige" Haustiere verkaufen zu können. Diese Situation kann etwas
drastischer formuliert mit der früher weitläufigen Praxis des
Flügelbeschneidens (Kürzen der Schwingen, um einen Papagei flugunfähig zu
machen) verglichen werden, wo anstatt zu geeigneteren
Unterbringungsmöglichkeiten eher zur Schere gegriffen wurde, die Papageien sich
also den Haltungsbedingungen anzupassen hatten, anstatt umgekehrt.
Bei manchen Papageienarten (insbesondere Amazonen, Aras und andere Papageien,
die während der Brutzeit ein stark ausgeprägtes Revierverteidigungsverhalten
zeigen) ist das Erreichen dieser Zahmheit und engen Tier-Mensch-Beziehung
allerdings häufig nicht auf Dauer möglich. Mit Eintritt der Geschlechtsreife
(bei Amazonen und anderen mittelgroßen Papageienarten etwa im Alter von 3
Jahren, bei Großaras im Alter von ungefähr 5-7 Jahren) zeigen Papageien auch in
der Wohnungshaltung oft auffällige Verhaltensänderungen, die sich in vermehrter
Aggressivität gegenüber den Menschen und anderen "Eindringlingen"
äußern. Nicht selten scheitert die Haltung im direkten Wohnbereich bei solchen
Arten, für die dieses zeitweise aggressivere Verhalten grundsätzlich zum
natürlichen Verhaltensinventar gehört (es sich dabei also keinesfalls um eine
Verhaltensstörung handelt, die "therapiert" werden müsste), an dieser
Tatsache. Der Glaube, Handaufzuchten seien von solchen Problemen ausgenommen,
erweist sich häufig als falsch, da gerade handaufgezogene Papageien keine Scheu
oder Zurückhaltung vor dem Menschen kennen - in "guten" wie in
"schlechten" Zeiten. Das bedeutet, dass es durchaus vorkommen kann,
dass Naturbruten eher noch eine Art "Respektabstand" einhalten,
während Handaufzuchten oder andere vollständig gezähmte Vögel den direkten
Kontakt nicht scheuen. Zusätzlich zu den bereits erwähnten Problemen der
Handaufzucht (starke Beeinflussung des Sozialverhaltens und der Jugendentwicklung,
meist anschließende "Wohnzimmerhaltung" unter unzureichenden
Bedingungen) kommt also bei den betreffenden Papageienarten stets ein gewisses
Risiko hinzu, dass das anfänglich unproblematische Zusammenleben von Mensch und
Papagei nach einigen Jahren in dieser Ausprägung eventuell nicht mehr möglich
ist, insofern man sich nicht spätestens dann in den eigenen Vorstellungen und
Wünschen "umorientiert".
Die Handaufzucht nimmt nichts desto trotz mittlerweile einen
besorgniserregenden Umfang an, da es heute bei manchen, in
Heimtierhaltungskreisen besonders "gefragten" Arten sehr schwierig
sein kann, Naturbruten zu erwerben, weil sich die "Produzenten"
(Züchter, Händler) weitgehendst an die Marktlage angepasst haben. Viele Papageienhalter
erwerben Handaufzuchten, ohne sich zuvor eingehend mit dieser Materie zu
beschäftigen, da das Angebot bei Züchtern oder Händlern teilweise bereits sehr
einseitig gestaltet ist. So können mittlerweile aufgrund der großen Nachfrage
für handaufgezogene Tiere ungleich höhere Preise verlangt werden, als dies bei
Naturbruten der Fall ist, sodass aus der Handaufzucht in der Zwischenzeit in
ein gewinnträchtiges Geschäft geworden ist, auf das viele - auch wenn sich
selbst in Züchterverbänden immer mehr Menschen gegen die planmäßige
Handaufzucht aussprechen - nicht verzichten möchten.
Will man die Papageienhaltung so gut wie möglich auf die Bedürfnisse der Vögel
ausrichten, sollte feststehen, dass dies natürlich vorrangig durch die Aufzucht
durch die eigenen Eltern zu erreichen ist. Die Handaufzucht kann lediglich dann
verantwortbar und im Sinne der Papageien sein, wenn es sich um eine der oben
genannten Notfallsituationen handelt und eine Ammenaufzucht durch ein anderes
Papageienpaar nicht möglich ist. Informationen zur Praxis der Handaufzucht
finden Sie in den FAQ-Foren unter dem Beitrag "Die Handaufzucht".
Jungvögel, die unter diesen Umständen handaufgezogen werden mussten, sollten
direkt nach der Entwöhnung in eine Gruppe artgleicher Vögel integriert werden,
wo sie sich im positivsten Fall einen Partner suchen und vom Menschen mehr und
mehr unabhängig werden.
Naturbruten
Als Naturbruten werden Papageien bezeichnet, die ohne Einmischung des Menschens
bei ihren Eltern in der Nisthöhle aufwuchsen und ausschließlich von ihnen mit
Nahrung versorgt wurden. Diese Tiere kennen den Pfleger nur durch regelmäßig
durchgeführte Nistkastenkontrollen und weisen daher keine Fixierung auf eine
bestimmte Bezugsperson auf. Nach dem Ausfliegen verbleiben sie in der Regel
noch einige Zeit im Geschwisterverband, bis sie letztendlich entweder in einer
kleineren Gruppe von Artgenossen einen Partner finden oder ihnen gezielt
jeweils ein blutsfremder Partnervogel hinzugesellt wird. Im Idealfall sind die
Tiere also nie von anderen Papageien getrennt und erfüllen ihr Bedürfnis nach
Sozialkontakt ausschließlich durch Artgenossen.
Die Vorteile dieser Aufzuchtsform liegen klar auf der Hand. Einerseits ist es
sicherlich sehr positiv, wenn die Elterntiere ihrem Brutgeschäft naturgemäß
nachgehen können, und nicht wie bei der planmäßigen Handaufzucht lediglich die
"Eiproduzenten" oder "Brutmaschinen" spielen müssen. Gerade
für Papageien mit ihrer großen Intelligenz und ihrem ausgeprägten Sozialleben
dürfte es nicht unbedingt eine erfreuliche Angelegenheit sein, wenn ihnen ihre
Jungvögel bereits nach so kurzer Zeit entnommen werden, und das wohlgemerkt
ohne zwingenden Grund ("Notfall-Handaufzuchten", die bei sachgemäßer
Durchführung sicherlich ihre Berechtigung haben, ausgenommen). Außerdem ist das
weitere Leben von Jungvögeln aus Naturbrut sicherlich mit weniger Problemen
behaftet, da sie ein Besitzerwechsel oder vorübergehender Zeitmangel des
künftigen Pflegers kaum stark beeinträchtigt, da sie den Menschen eher als
"Betreuer", und nicht etwa als zwingend benötigten
"Spielkameraden" betrachten. Sie sind in ihren Tagesaktivitäten und
in ihrem Sozialverhalten, insofern keine intensiven Zähmungsversuche erfolgen
und ein adäquates Haltungssystem vorliegt, in keinster Weise vom Menschen
abhängig.
Es kann nur dazu geraten werden, keine sehr enge Tier-Mensch-Beziehung
anzustreben und die gehaltenen Vögel noch Papageien sein zu lassen, anstatt sie
zu "Haustieren" und "gefiederten Spaßvögeln" zu
degradieren. Papageien, die in eigenen Gehegen, Innenräumen oder kombinierten
Freianlagen unter ihresgleichen ohne starke Bindung zum Pfleger leben, werden
im Normalfall ein wesentlich ausgeglicheneres Wesen zeigen als solche, die Tag
für Tag in einem Käfig oder in einer kleinen Zimmervoliere sitzen und nur
darauf warten, dass ihre Besitzer von der Arbeit kommen, ihnen Aufmerksamkeit
schenken und etwas mehr Bewegungsfreiheit durch zeitlich begrenzte Freiflüge in
der Wohnung gewähren. Papageien brauchen rund um die Uhr sozialen Kontakt und
Unterhaltung. Da ein Mensch das ohnehin nie bieten kann, ist es generell eher
negativ als segensreich, wenn die Papageien in dieser Hinsicht auf den Menschen
angewiesen sind. Das Verhältnis von Naturbruten zum Menschen kann in den
meisten Fällen als ausgeglichen und "gesund" bezeichnet werden, da diese
Vögel den Pfleger zwar akzeptieren und nach der Eingewöhnungsphase
normalerweise keine Scheu vor ihm zeigen, in ihm aber keinen
"Ersatzpartner" oder zusätzlichen Sozialpartner sehen. Diese
Verhaltensweisen beschränken sich bei Papageien aus Naturbrut in der Regel auf
Artgenossen, die dafür natürlich wesentlich besser geeignet sind als der
Mensch.
Wildfänge
Wildfänge sind Papageien, die aus ihren natürlichen Verbreitungsgebieten
gefangen wurden. Leider ist selbst heute noch, wo immer mehr Nachzuchten in
Menschenobhut erfolgen und der "Bedarf" eigentlich längst gedeckt
sein sollte, der Massenimport solcher Vögel erlaubt. Als einziges Argument für
den Kauf von Wildfängen kann wohl genannt werden, dass der Kaufpreis in der
Regel weit unter dem Preis einer Nachzucht liegt. Da es aber sehr fragwürdig
ist, ob alleine der Kaufpreis diese Form des Papageienhandels rechtfertigt, ist
dieses Argument zu vernachlässigen. Tatsache ist also, dass es keinen
vernünftigen Grund gibt, als Privathalter oder -züchter auf Wildfänge
zurückzugreifen, da zumindest die "gängigen" Arten heute in
ausreichender Anzahl gezüchtet werden. Anders sieht es eventuell bei Arten aus,
die in Menschenobhut bislang nur sehr selten anzutreffen sind. Der Aufbau eines
Zuchtstammes sollte in diesem Fall aber unbedingt spezialisierten Züchtern mit
Erfahrung überlassen werden, damit in Zukunft auf den Import solcher Vögel
verzichtet werden kann. Außerdem kann selbst eine begrenzte Einfuhr zu diesem
Zweck nur dann verantwortbar sein, wenn sich die Zustände bei Fang und
Transport wesentlich bessern.
Die Nachteile in Sachen Wildvogelhandel sind offensichtlich und überwiegen
vermeintliche "Vorteile" (insofern solche überhaupt existieren) bei
Weitem. Es bedeutet für jeden einzelnen Vogel eine kaum vorstellbare Qual, auf
diese Art und Weise aus der bisher gewohnten Umgebung und dem Sozialverband
herausgerissen zu werden. Die Papageien werden häufig im Nestlingsalter direkt
aus den Baumhöhlen gefangen. Die Fänger erklimmen dazu den Baum und angeln mit
Hilfe von Drähten und Schnüren die Jungvögel aus dem Nest heraus, verstauen sie
in einem Sack und schaffen sie nach Hause, wo sie bis zum Verkauf an den
nächsten Händler noch von Hand weitergefüttert werden müssen. Diese Fütterungen
erfolgen meist mit nur wenig Einfühlungsvermögen und Vorsicht, weshalb leider
alleine dabei bereits etliche Tiere den Erstickungstod erleiden (wenn der
Futterbrei anstatt in die Speiseröhre brutal in die Luftröhre gespritzt wird)
oder durch schwerwiegende Verdauungsprobleme und Kropfverletzungen eingehen.
Immer häufiger kommt es auch vor, dass gut organisierte Vogelfänger die
Brutbäume der Papageien mit Motorsägen zu Fall bringen, die Höhlen mit einer
Axt aufhacken und die Jungen entnehmen, insofern sie noch nicht durch den Sturz
des Baumes getötet wurden. Diese Fangpraktik hat nicht nur für die Papageien,
die zu diesem Zeitpunkt die Höhle benutzen, sondern auch für die gesamte
Restpopulation in diesem Gebiet negative Folgen. Denn geeignete Brutbäume
stehen nirgendwo im Überfluss zur Verfügung, sodass eine Art durch das
vermehrte Fällen der Bäume nachhaltig in ihrem Bestand gefährdet werden kann.
Die Todesrate ist selbst bei Jungtieren bereits unvorstellbar hoch, den
Alttieren ergeht es aber kaum besser.
Adulte Papageien werden häufig mit Leimruten gefangen. Die bevorzugten
Sitzplätze und Schlafbäume der Vögel werden dazu mit einer klebrigen Substanz
bestrichen, oft wird zusätzlich ein angebundener flugunfähiger Lockvogel als
Köder verwendet. Beim Anfliegen dieser Plätze bleiben die Papageien an der
klebrigen Unterlage haften und können sich nicht mehr aus eigener Kraft
befreien. Bei den verzweifelten Befreiungsanstrengungen der Vögel kommt es
regelmäßig zu Beinbrüchen, Flügelverletzungen und in der Folge auch zu
Todesfällen durch Schockeinwirkungen. Neben dieser Methode ist auch der Fang
mit dünnmaschigen Netzen, die von den Tieren erst wahrgenommen werden, wenn es
bereits zu spät ist und sie sich darin verheddert haben, weit verbreitet. Wer
denkt, mit dem Fang wäre das größte Leid der Tiere vorbei, der irrt sich jedoch
gewaltig. Die nächste Station, die die Vögel durchlaufen, ist meist der
ortsansässige Vogelhändler, der die Tiere dann wiederum an den Exporteur
weitergibt. Auch diese Transporte überlebt ein Teil der Papageien nicht, da
auch hier selten Wert auf genügend Platz, Futter und Wasser gelegt wird. In der
Regel werden die Vögel zu jeweils mehreren Exemplaren in winzige Boxen oder
Drahtkäfige gepfercht, wo nicht einmal das Ausstrecken eines Flügels möglich
ist. Vom Exporteur geht es per Flugzeug weiter in das Bestimmungsland, wo
erneut etliche Tiere ihr Leben lassen. Anschließend erfolgt eine Quarantäne mit
routinemäßig durchgeführter Antibiotikabehandlung, die ebenfalls ein großes
Risiko bedeutet. Viele Papageien sind gesundheitlich bereits sehr stark
angeschlagen, sodass sie eine Behandlung mit starken Antibiotika und die
beengten Haltungsbedingungen in der Quarantänestation nicht mehr verkraften.
Schätzungen von Tier- und Artenschutzorganisationen gehen davon aus, dass je nach
Papageienart, Fangmethode und Quarantänedauer zwischen 2 und 10 Vögel sterben,
bis ein lebender in den Handel gelangt. Häufig haben die Überlebenden ihre
Partnervögel, Jungvögel oder Schwarmmitglieder, insofern diese ebenfalls
gefangen wurden, sterben sehen und sind selbst nur knapp dem Tod entgangen. Der
Papageienhandel mit dieser hohen Sterberate ist lediglich deshalb für die
Händler lohnend, weil sie die Fänger im Ursprungsland - meist stark verarmte
Einheimische - mit Hungerlöhnen abbezahlen können und für die verkaufsfähigen
Tiere schnell Interessenten im Importland finden.
Neben den stark negativen Folgen für die einzelnen Tiere gibt es aber noch
weitreichendere Probleme. Bestände vieler Papageienarten sind heute bereits im
Abnehmen begriffen oder sehr instabil. Jedes Tier, welches für Haltungszwecke
aus dem Freiland gefangen wird, bedeutet natürlich einen weiteren Aderlass für
solche Populationen. Kommen dann noch andere Ursachen wie die vermehrte
Lebensraumzerstörung durch Abholzung der Wälder und Umwandlung der natürlichen
Gebiete in große Landwirtschaftsflächen hinzu, kann eine Art schnell an den
Rand des Aussterbens gedrängt werden. Bei Papageien sind diese Auswirkungen
leider bereits stark zu spüren. Von allen 320-350 existierenden Papageienarten
stehen lediglich 3, nämlich Wellensittich (Melopsittacus undulatus),
Nymphensittich (Nymphicus hollandicus) und Halsbandsittich (Psittacula krameri)
nicht auf den Anhängen I oder II des Washingtoner Artenschutzabkommens (WA).
Jeder Kauf eines wildgefangenen Papageien kurbelt leider den Handel nur noch
weiter an, weshalb es derzeit (solange es keine Bestimmungen gibt, die den
weiteren Import untersagen) die tierfreundlichste Entscheidung ist, Verkäufer
von Wildfängen zu meiden und ihnen keinen Absatzmarkt zu bieten. Dass dies den
Vögeln, die bereits in den Verkaufsräumen sitzen, nur wenig hilft, ist eine
Tatsache. Eine wirkliche Lösung des Dilemmas kann deshalb einzig und allein ein
gesetzlicher Importstop bringen, auf den man in Europa bislang leider vergeblich
wartet.
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Verfasser des Artikels: Doris
Revision: 1.2
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